Callcenter Agent
die ersten Tage im Callcenter
callcenteragent | 02. Juli 07
der erste Abend
Obwohl ich wusste, was mich erwarten würde, stand ich aufgeregt vor dem Eingang zum Gebäude. 15 min. zu früh. Ganz oben im funkelnden Glaspalast hat sich die Firma also eingemietet, die anderen Stockwerke scheinen noch verlassen, es wird noch gebaut.
Die Begrüßung durch meine Ansprechpartnerin war freundlich - herzlich. Auch wenn sie ausgerechnet an diesem Tag wenig Zeit hatte, und ich deshalb in eine recht nett eingerichtete Cafeecke gesetzt wurde, so hatte ich doch von dort aus die Möglichkeit, ein "Callcenter" auf mich wirken zu lassen. Vielleicht 15 Vierertische, die Arbeitsplätze sternförmig angeordnet, zu gut 2/3 belegt. Punkt 18:00 gehts los, ein Stimmengewirr, alle telefonieren gleichzeitig los.
Endlich hat jemand Zeit für mich, doch statt eines Gesprächs werde ich zu einer der Telefonistinen gesetzt um ihr zuzuhören. Nach einer weiteren viertel Stunde, d.h. bestimmt 30 Anrufe später, werde ich versetzt, um jemand anderem zuzuhören. 30, 40 Minuten später werde ich gebeten am nächsten Tag wieder zu kommen und hinauskomplimentiert. Ich denke, laut "Insider-Informationen", ich bekomme den ersten Tag voll ausbezahlt. 10€ pro Stunde, 3 Stunden am Abend, das passt schon.

der zweite Abend
Ich bin wieder früh dran, wieder sitze ich in der Cafeteria. Es folgt die versprochene "Schulung", ein vier Augen Gespräch mit der Chefin bzw. der Betreuerin der Telefonisten. Eineinhalb Stunden lang erklärt sie mir, wie ich mit wildfremden Leuten, die absolut keine Lust darauf haben, von mir angerufen zu werden, eine emotionale Ebene erreichen kann, um dann mein Ziel, einen Termin mit einem Außendienstler zu vereinbaren, zu erreichen. Diese emotionale Ebene versucht sie, ganz der Profi, auch direkt mit mir herzustellen. Ich lasse sie soweit gewähren, wie ich mich noch wohl fühle, den Rest blocke ich. An dieses Motivationsgespräch schließt sich eine 5 minütige Einführung ins Computersystem an, ich bekomme meinen Gesprächsleitfaden, einige Tabellen etc. in die Hand gedrückt und finde mich an einem Telefon wieder. Nun ja, das wird schon gehen.
Nervös lasse ich die ersten Nummern wählen, stammle meine Text. Nach 5 Minuten bekomme ich Rückenschmerzen, alles verkrampft sich. Die Psyche wehrt sich, ich kämpfe sie nieder, bleibe beharrlich. Nach 45 Minuten läufts schon ganz gut, ich bin halbwegs locker, plaudere mit den Leuten am anderen Ende. Dann der erste Schock. "Nein, sie sprechen mit der Tochter, die Helga Schreiber ist vor zwei Jahren verstorben" Scheiße! Was nun? Ich entschuldige mich, wünsche Beileid - und bekomme die Kurve, erkläre der Tochter was ich will und erreiche immerhin eine Wiedervorlage nach dem Wochenende... Jetzt brauche ich eine Pause, muss aber noch mindestens 20 Minuten weitermachen. Verwirrt, angestrengt, angekotzt mache ich weiter. Endlich Pause, zwei Zigaretten, weiter gehts. Um 21:00 ist Schluss, um 22:00 bin ich zu Hause.

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