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Anzugträger, Einzelschulung und doch nichts los
callcenteragent | 05. Juli 07
Ich bin sehr zeitig da, rauche noch eine. Eine handvoll Anzugträger, Gangster in Nadelstreifen, steht mit mir rum, wir kommen ins Gespräch: "Seid Ihr unsere Vertriebler?" "Ja, die neuen. Wir werden gerade geschult" Die armen. 2 Wochen Schulung, mit 4 Stunden Pause pro Tag, weil unsere Chefs so verzettelt / chaotisch drauf sind. 2 Wochen weg von zu Hause - aber das Hotel ist ok. Wenigstens das. Sonstige Kosten werden nicht übernommen. Die Chefin kommt, sieht mich, umringt von grinsenden, lachenden Anzugträgern und findet's wohl nicht gut. Grinst verkniffen, wünscht nen guten Abend und verschwindet. Aha, bitte keine Kommunikation zwischen den Hierarchien... soll sie mir aber bitte auch sagen, man ist als Telefonist schließlich kommunikativ ;-)
An der Teambesprechung darf ich nicht teilnehmen, ich bekomme "Einzelschulung" - zusammen mit noch jemand, der mit mir angefangen hat. Nach kurzem Anfeuern: "mehr Emotionen! ... noch Fragen?" ist diese Schulung aber vorbei, ich sitz wieder am Telefon. Die ganzen Wiedervorlagen klappen tatsächlich nicht - die Leute sind (zum Glück) nicht so dumm...
An der Teambesprechung darf ich nicht teilnehmen, ich bekomme "Einzelschulung" - zusammen mit noch jemand, der mit mir angefangen hat. Nach kurzem Anfeuern: "mehr Emotionen! ... noch Fragen?" ist diese Schulung aber vorbei, ich sitz wieder am Telefon. Die ganzen Wiedervorlagen klappen tatsächlich nicht - die Leute sind (zum Glück) nicht so dumm...
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Druck wird aufgebaut
callcenteragent | 04. Juli 07
Die Teambesprechung findet diesmal im großen Konferenzraum statt. Beide Teams sitzen wie auf heißen Kohlen. Dann geht das Donnerwetter los: wir haben viel zu wenig Termine gemacht in der letzten Woche, das Callcenter in B. mache mehr, selbst das in F. sei gerade dabei uns zu überholen - obwohl wir bei uns doch mindestens 6 Profis hätten, die schon einige Jahre dabei seien. Das könne so ja nicht sein... Wenn das nur ein paar Wochen so weitergehe, können wir das Callcenter schließen, alle werden arbeitslos. Betroffenes Schweigen. Dann wieder Tipps, ein neuer Gesprächsleitfaden wird verteilt, die Stimmung steigt wieder etwas.
Draußen an der Front kämpfen wir um jedes Gespräch - und die Termine wuppen nur so herein. Unsere Zielsetzung, nur Termine für diese Woche zu machen, kann ich nicht halten, ich mache einen für nächste Woche - bekomme einen Anschiss dafür. Da ich "neu" bin, will die Chefin ihn aber trotzdem nehmen...
Draußen an der Front kämpfen wir um jedes Gespräch - und die Termine wuppen nur so herein. Unsere Zielsetzung, nur Termine für diese Woche zu machen, kann ich nicht halten, ich mache einen für nächste Woche - bekomme einen Anschiss dafür. Da ich "neu" bin, will die Chefin ihn aber trotzdem nehmen...
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Insider Tip für Angerufene
callcenteragent | 03. Juli 07
Freundlich aber bestimmt sagen: "Ich werde Anzeige erstatten - sie dürfen mich nicht ohne meine Einwilligung anrufen!"
Dann gibts für den Agent zwei Möglichkeiten: die Nummer
1) auf "in einigen Monaten nochmals probieren" setzen
2) "löschen - absolut keinen Anruf mehr"
Meistens nehme ich die 1), um Druck von oben auszuweichen, eher selten aber auch die 2).
Dann gibts für den Agent zwei Möglichkeiten: die Nummer
1) auf "in einigen Monaten nochmals probieren" setzen
2) "löschen - absolut keinen Anruf mehr"
Meistens nehme ich die 1), um Druck von oben auszuweichen, eher selten aber auch die 2).
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Gedanken zwischendurch
callcenteragent | 03. Juli 07
- jedem ist bewusst, dass unsere Arbeit illegal ist
- keiner der anderen Agenten spricht über seinen Job oder seine Erfahrungen. In den Pausen wird nur belangloses gequatscht - das habe ich schnell gelernt
- keiner weiß so ganz genau, was für ein "Produkt" wir im Endeffekt an unsere Opfer bringen - den Verkauf selbst macht ja ein Außendienstler. Das trägt nicht unerheblich zur Gewissensberuhigung bei.
- nicht nur die einzelnen Teams stehen in Konkurrenz zueinander, die einzelnen Agenten natürlich auch. Freiwillig. Da rutscht man so rein - gepusht von der 15-minütigen "Teambesprechung"
- keiner der anderen Agenten spricht über seinen Job oder seine Erfahrungen. In den Pausen wird nur belangloses gequatscht - das habe ich schnell gelernt
- keiner weiß so ganz genau, was für ein "Produkt" wir im Endeffekt an unsere Opfer bringen - den Verkauf selbst macht ja ein Außendienstler. Das trägt nicht unerheblich zur Gewissensberuhigung bei.
- nicht nur die einzelnen Teams stehen in Konkurrenz zueinander, die einzelnen Agenten natürlich auch. Freiwillig. Da rutscht man so rein - gepusht von der 15-minütigen "Teambesprechung"
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Zielgruppe gefunden
callcenteragent | 03. Juli 07
Es gibt ja Menschen, die sind, sagen wir mal "geistig langsam". Eben so wie die junge Dame, mit der ich endlich einen dieser "Termine" machen konnte, die für uns Agenten die Welt bedeuten...
Sie hört brav zu, fühlt sich geschmeichelt, antwortet brav auch auf recht intime Fragen. Sie ist 30, ihr Mann 45. Doch der ist nicht da. Er arbeitet gerade - beim "Scheffel". Ich frage nach seiner Position dort. Aber erst mit der Frage "Ja was macht er denn dort?" kann sie umgehen und antwortet brav. Sie selbst jobbt. Nun ja, die beiden gehören nicht gerade zu den Besserverdienern im Lande, aber sei's drum - ich hab' meinen Termin gemacht, werde gelobt, bekomme seelische Streicheleinheiten, alle Daumen hoch: "Na sehen Sie, klappt doch". In der Aufregung vergesse ich auf meinem Terminbogen zu vermerken, dass der Außendienstler bitt'schön einen Kuchen mitbringen soll. Aber "'nen guten" - wünscht sie sich.
Ich bin "drin".
Sie hört brav zu, fühlt sich geschmeichelt, antwortet brav auch auf recht intime Fragen. Sie ist 30, ihr Mann 45. Doch der ist nicht da. Er arbeitet gerade - beim "Scheffel". Ich frage nach seiner Position dort. Aber erst mit der Frage "Ja was macht er denn dort?" kann sie umgehen und antwortet brav. Sie selbst jobbt. Nun ja, die beiden gehören nicht gerade zu den Besserverdienern im Lande, aber sei's drum - ich hab' meinen Termin gemacht, werde gelobt, bekomme seelische Streicheleinheiten, alle Daumen hoch: "Na sehen Sie, klappt doch". In der Aufregung vergesse ich auf meinem Terminbogen zu vermerken, dass der Außendienstler bitt'schön einen Kuchen mitbringen soll. Aber "'nen guten" - wünscht sie sich.
Ich bin "drin".
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die ersten Tage im Callcenter
callcenteragent | 02. Juli 07
der erste Abend
Obwohl ich wusste, was mich erwarten würde, stand ich aufgeregt vor dem Eingang zum Gebäude. 15 min. zu früh. Ganz oben im funkelnden Glaspalast hat sich die Firma also eingemietet, die anderen Stockwerke scheinen noch verlassen, es wird noch gebaut.
Die Begrüßung durch meine Ansprechpartnerin war freundlich - herzlich. Auch wenn sie ausgerechnet an diesem Tag wenig Zeit hatte, und ich deshalb in eine recht nett eingerichtete Cafeecke gesetzt wurde, so hatte ich doch von dort aus die Möglichkeit, ein "Callcenter" auf mich wirken zu lassen. Vielleicht 15 Vierertische, die Arbeitsplätze sternförmig angeordnet, zu gut 2/3 belegt. Punkt 18:00 gehts los, ein Stimmengewirr, alle telefonieren gleichzeitig los.
Endlich hat jemand Zeit für mich, doch statt eines Gesprächs werde ich zu einer der Telefonistinen gesetzt um ihr zuzuhören. Nach einer weiteren viertel Stunde, d.h. bestimmt 30 Anrufe später, werde ich versetzt, um jemand anderem zuzuhören. 30, 40 Minuten später werde ich gebeten am nächsten Tag wieder zu kommen und hinauskomplimentiert. Ich denke, laut "Insider-Informationen", ich bekomme den ersten Tag voll ausbezahlt. 10€ pro Stunde, 3 Stunden am Abend, das passt schon.
der zweite Abend
Ich bin wieder früh dran, wieder sitze ich in der Cafeteria. Es folgt die versprochene "Schulung", ein vier Augen Gespräch mit der Chefin bzw. der Betreuerin der Telefonisten. Eineinhalb Stunden lang erklärt sie mir, wie ich mit wildfremden Leuten, die absolut keine Lust darauf haben, von mir angerufen zu werden, eine emotionale Ebene erreichen kann, um dann mein Ziel, einen Termin mit einem Außendienstler zu vereinbaren, zu erreichen. Diese emotionale Ebene versucht sie, ganz der Profi, auch direkt mit mir herzustellen. Ich lasse sie soweit gewähren, wie ich mich noch wohl fühle, den Rest blocke ich. An dieses Motivationsgespräch schließt sich eine 5 minütige Einführung ins Computersystem an, ich bekomme meinen Gesprächsleitfaden, einige Tabellen etc. in die Hand gedrückt und finde mich an einem Telefon wieder. Nun ja, das wird schon gehen.
Nervös lasse ich die ersten Nummern wählen, stammle meine Text. Nach 5 Minuten bekomme ich Rückenschmerzen, alles verkrampft sich. Die Psyche wehrt sich, ich kämpfe sie nieder, bleibe beharrlich. Nach 45 Minuten läufts schon ganz gut, ich bin halbwegs locker, plaudere mit den Leuten am anderen Ende. Dann der erste Schock. "Nein, sie sprechen mit der Tochter, die Helga Schreiber ist vor zwei Jahren verstorben" Scheiße! Was nun? Ich entschuldige mich, wünsche Beileid - und bekomme die Kurve, erkläre der Tochter was ich will und erreiche immerhin eine Wiedervorlage nach dem Wochenende... Jetzt brauche ich eine Pause, muss aber noch mindestens 20 Minuten weitermachen. Verwirrt, angestrengt, angekotzt mache ich weiter. Endlich Pause, zwei Zigaretten, weiter gehts. Um 21:00 ist Schluss, um 22:00 bin ich zu Hause.
Obwohl ich wusste, was mich erwarten würde, stand ich aufgeregt vor dem Eingang zum Gebäude. 15 min. zu früh. Ganz oben im funkelnden Glaspalast hat sich die Firma also eingemietet, die anderen Stockwerke scheinen noch verlassen, es wird noch gebaut.
Die Begrüßung durch meine Ansprechpartnerin war freundlich - herzlich. Auch wenn sie ausgerechnet an diesem Tag wenig Zeit hatte, und ich deshalb in eine recht nett eingerichtete Cafeecke gesetzt wurde, so hatte ich doch von dort aus die Möglichkeit, ein "Callcenter" auf mich wirken zu lassen. Vielleicht 15 Vierertische, die Arbeitsplätze sternförmig angeordnet, zu gut 2/3 belegt. Punkt 18:00 gehts los, ein Stimmengewirr, alle telefonieren gleichzeitig los.
Endlich hat jemand Zeit für mich, doch statt eines Gesprächs werde ich zu einer der Telefonistinen gesetzt um ihr zuzuhören. Nach einer weiteren viertel Stunde, d.h. bestimmt 30 Anrufe später, werde ich versetzt, um jemand anderem zuzuhören. 30, 40 Minuten später werde ich gebeten am nächsten Tag wieder zu kommen und hinauskomplimentiert. Ich denke, laut "Insider-Informationen", ich bekomme den ersten Tag voll ausbezahlt. 10€ pro Stunde, 3 Stunden am Abend, das passt schon.
der zweite Abend
Ich bin wieder früh dran, wieder sitze ich in der Cafeteria. Es folgt die versprochene "Schulung", ein vier Augen Gespräch mit der Chefin bzw. der Betreuerin der Telefonisten. Eineinhalb Stunden lang erklärt sie mir, wie ich mit wildfremden Leuten, die absolut keine Lust darauf haben, von mir angerufen zu werden, eine emotionale Ebene erreichen kann, um dann mein Ziel, einen Termin mit einem Außendienstler zu vereinbaren, zu erreichen. Diese emotionale Ebene versucht sie, ganz der Profi, auch direkt mit mir herzustellen. Ich lasse sie soweit gewähren, wie ich mich noch wohl fühle, den Rest blocke ich. An dieses Motivationsgespräch schließt sich eine 5 minütige Einführung ins Computersystem an, ich bekomme meinen Gesprächsleitfaden, einige Tabellen etc. in die Hand gedrückt und finde mich an einem Telefon wieder. Nun ja, das wird schon gehen.
Nervös lasse ich die ersten Nummern wählen, stammle meine Text. Nach 5 Minuten bekomme ich Rückenschmerzen, alles verkrampft sich. Die Psyche wehrt sich, ich kämpfe sie nieder, bleibe beharrlich. Nach 45 Minuten läufts schon ganz gut, ich bin halbwegs locker, plaudere mit den Leuten am anderen Ende. Dann der erste Schock. "Nein, sie sprechen mit der Tochter, die Helga Schreiber ist vor zwei Jahren verstorben" Scheiße! Was nun? Ich entschuldige mich, wünsche Beileid - und bekomme die Kurve, erkläre der Tochter was ich will und erreiche immerhin eine Wiedervorlage nach dem Wochenende... Jetzt brauche ich eine Pause, muss aber noch mindestens 20 Minuten weitermachen. Verwirrt, angestrengt, angekotzt mache ich weiter. Endlich Pause, zwei Zigaretten, weiter gehts. Um 21:00 ist Schluss, um 22:00 bin ich zu Hause.
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